Im Wahlpflichtunterricht Philosophie der 10. Klasse haben wir uns mit der Frage
beschäftigt, ob der Mensch frei darüber entscheiden kann, was er will, wünscht
und begehrt. Folgende Antwort ist dabei von den drei Autorinnen Ina Riese
(10.4), Leonie Hoffmann (10.2) und Lara Schärf (10.6) entstanden:
Stellen Sie sich vor es ist Frühling. Sie wollen eigentlich für den Sommer
abnehmen, laufen jedoch an einem Eisstand vorbei und ohne lang zu überlegen,
kaufen Sie sich ein Eis, dessen Verzehr sie im Nachhinein bereuen. Wären Sie
nun neuronaler Determinist würden Sie der Überzeugung sein, nichts dafür zu
können; der Kauf des Eises war vorbestimmt und wurde auf neuronaler Ebene von
Ihrem Gehirn getroffen, unbeeinflussbar für Sie. Wären Sie kein Determinist
würden Sie sich vielleicht über ihre eigene Willensschwäche ärgern, da Ihr
Wille nicht stark genug war, dem Eis zu widerstehen aber sie wären davon
überzeugt, dass es möglich gewesen wäre, zu widerstehen. Aber wenn Sie dem Eis
trotz Ihres eigentlichen Vorhabens nicht widerstehen konnten, hatten Sie dann
überhaupt einen freien Willen?
Es wurden schon viele Experimente durchgeführt, welche prüfen sollten,
inwiefern unser Gehirn „vorprogrammiert“ ist. Eins dieser Experimente stammt
von dem Physiologen Benjamin Libet. In diesem Experiment saßen die
Versuchspersonen vor einer Art ablaufenden Uhr. Der Zeiger ist hierbei ein
Lichtpunkt. Wenn die Person den Drang verspürt die Hand zu heben, sollte sie
sich die Position des Lichtpunktes merken. Dieser Zeitpunkt wird von Libet mit Hilfe
der Elektromyographie registriert. Aus der gemerkten Position des Lichtpunktest
und den Werten seiner Geräte konnte er etwas sehr interessantes feststellen.
Libet machte die Entdeckung, dass etwa eine halbe Sekunde bevor wir uns unserer
Handlungsabsicht bewusst werden, in unserem Gehirn ein dazugehöriges
Bereitschaftspotential messbar ist. Das heißt, dass unser Gehirn
unterbewusst schon vor der eigentlichen Handlung festlegt, dass wir gleich die
Hand heben wollen. Erst 200 ms bevor wir die Handlung ausüben, werden wir uns
dieser bewusst. Dies löste starke Zweifel am freien Willen aus und auf diesen
Untersuchungen beruhen die Theorien vieler neuronaler Deterministen. Einer
dieser Deterministen ist der Neuropsychologe Wolf Singer.
Laut Wolf Singer werden alle Entscheidungen des Menschen von neuronalen
Vorgängen im Gehirn determiniert. Handlungen, die von der Person durchgeführt
wurden, werden anschließend nur mit den bewussten Gründen erklärt. Das Gehirn
stellt nach der Handlung eine Übereinstimmung zwischen den im Bewusstsein
vorhandenen Argumenten und der aktuellen Entscheidung her.
So ist z.B. die Entscheidung Schokolade zu essen nicht auf den bewussten
Grund des besonders guten Geschmacks zurückzuführen, sondern auf die Zunahme
von dem, in der Schokolade vorhandenen, Phenylethylamin, wodurch das
Glücksempfinden für einen Moment gefördert wird. In Erwartung dieses Gefühl
entscheidet unser Gehirn, dass wir die Schokolade essen werden und im
Nachhinein sagen wir uns, dass wir dies auch wirklich wollten.
Diese Erklärung ist jedoch umstritten. Ein Kritiker ist der Philosoph Julian
Baggini. Er sagt, dass es natürlich zwar ohne Gehirn kein menschliches
Bewusstsein und somit keine Wünsche und Handlungen gibt, aber dass dies nicht
bedeutet, dass sich das gesamte menschliche Verhalten aus der Sicht des
neuronalen Determinismus erklären ließe. Nur weil etwas die grundlegende
Erklärung sei, bedeutet dies nicht, dass es die einzig mögliche ist, da es
immer verschiedene Ebenen einer Erklärung gebe. Man könne zwar wissen, wie sich
die einzelnen Elementarteilchen oder auch Neuronen verhalten, aber nicht dann,
wenn sie sich in komplexe Organe wie dem Gehirn anordnen. In einem System
interagieren mehrere Systeme miteinander, wodurch emergente, also neue,
Eigenschaften hervorgerufen werden. Man kann somit die Eigenschaften der
Bestandteile nicht auf die der komplexen System übertragen. Das Bewusstsein und
auch der freie Wille ist somit ebenfalls ein emergentes System. Annahmen und
Wünsche sind laut Baggini daher durchaus in der Lage die Entscheidungen und den
Willen eines Menschen zu beeinflussen, auch entgegen bestimmter neuronaler
Vorgänge in unserem Gehirn.
Zurückbezogen auf die Situation des Eiskaufes würde dies also bedeuten, dass
die Lust nach einem Eis, welche auf neuronalen Prozessen beruht, den Willen in
diesem Moment so stark beeinflusst hat, dass man ihr nachgab, was Baggini
jedoch nicht als einen unfreien Willen, sondern als Willensschwäche
beziehungsweise einer Umdisponierung des Willens ansehen würde. Man könnte
folglich die Möglichkeit eines Vetos gegen den eigenen Wunsch als Ergebnis
eines emergenten Systems auffassen, welches die Freiheit des Menschen
hervorbringt. Somit sind wir vielleicht nicht frei das Eis zu wollen, es dann
aber eben doch abzulehnen.