Georg Büchner „Woyzeck“ – Kreatives Schreiben


Sehr geehrte Leserschaft,

Es ist kurz vor den Weihnachtsferien und unser drittes Semester neigt sich dem Ende zu. Voller Euphorie beschäftigten wir – der Leistungskurs-Deutsch – uns in diesem Semester mit Georg Büchners Werk „Woyzeck“.

Es handelt sich um ein Dramenfragment, welches soziale und psychologische Abgründe thematisiert, in die der Protagonist Franz Woyzeck durch seine prekäre Lebenssituation getrieben wird. Man wird durch einen tiefen Einblick in die soziale Ungerechtigkeit und die Zerstörung des Individuums in einer von Klassenkonflikten geprägten Gesellschaft zum Hinterfragen angeregt.

Da das Werk in unvollendeter Form vorliegt, stellten wir uns die Frage, inwiefern wir selbst das Drama nach unseren Vorstellungen weiterführen könnten. Dabei entschieden wir zwischen einer Weiterführung im Rahmen einer historischen oder modernen Szene.

Im Folgenden präsentieren wir Ihnen/euch unsere Arbeitsergebnisse.

Der Leistungskurs-Deutsch von Frau Krzyzanski wünscht Ihnen/euch viel Freude beim Lesen!

Eine historische Weiterführung

Am Ufer.

(Woyzeck, Narr, Tambourmajor, Gerichtsmediziner)

(Narr zieht Woyzeck aus dem Wasser.)
NARR: „Der ist ins Wasser gefallen. Der ist ins Wasser gefallen.“
(Gerichtsmediziner und Tambourmajor kommen.)
TAMBOURMAJOR (aggressiv): „Wo ist’s Messer?“
GERICHTSMEDIZINER: „Wollt´ er sich doch besinnen. Sehe er da vorne, da liegt einer, ist wohl gefunden.“
TAMBOUMAJOR: „Du Narr! (Sieht Narr böse an.) Was hast’s zu verbergen? Schenkst ein´ Toten noch Aufmerksamkeit?“
(Narr tritt zurück, sieht zu Boden.)
NARR: „Der ist in Wasser gefallen.“
(Gerichtsmediziner prüft den Puls.)
GERICHTSMEDIZINER: „Klein, hart, hüpfend, unregelmäßig.“
(Tambourmajor erschrickt als er Woyzeck erkennt.)
TAMBOUMAJOR: „Sapperment, erstechen müsst´ man ihn, so wie er’s bei Marien getan!“
(Woyzeck wacht auf.)
WOYZECK (hustend, langsam aufwachend): „Wo bin ich? Wer seid ihr? Ihr verschwommenen Schemen. Ah, Freimaurer! Bleibt fern, zieht´s mich, zieht´s mich runter. Hab´s doch getan, hab´s getan. Immer zu, immer zu, dort liegt die Zickwölfin am See. So lasset mich los! (greift den Tambourmajor am Kragen) Ich will nicht donnern helfen.“
(Woyzeck schließt die Augen.)
TAMBOUMAJOR: „Verdient er es hat.“
GERICHTSMEDIZINER: „Ein tragischer Tod, einsam und verdient.“

Eine Mischung zwischen historischer und moderner Weiterführung

Die Gerichtsverhandlung.

(Beginn der Gerichtsverhandlung im Gerichtssaal.
Polizist hält Woyzeck am Arm, währenddessen wehrt sich Woyzeck ständig. Nachbarin sitzt mit Christian im Arm im Saal.)

MODERATOR: „Wir befinden uns hier in der Gerichtsverhandlung im Fall Franz Woyzeck – Mord an Marie. Einer der gelungensten Fälle jemals!“
RICHTER: „Könnten Sie noch einmal den genauen Verlauf des Geschehens erläutern?“
POLIZIST: „Jawohl, Herr Richter! Es war einer der schönsten Morde, die ich je sehen durfte. Franz Woyzeck brachte vor einer Woche seine Freundin Marie mit mehreren Messerstichen um. Dafür lockte er sie an einen See abseits der Stadt.“
RICHTER: „Hat der Angeklagte dazu noch etwas zu sagen?“
WOYZECK: „Es war- Es war wundervoll. Es war ein Fest der Farben.“ (fasst sich mit beiden Händen an den Kopf) 
(Christian schreit und Woyzeck packt Christian an den Nacken und spricht ihm ins Gesicht.)
WOYZECK: „Christian hältst du mich denn für verrückt? Ich habe Marie, deine Mutter, nicht umgebracht. ICH HAB SIE NICHT UMGEBRACHT!“ (lauter werdend) 
RICHTER: „Nach Zeugenaussagen lässt sich das eindeutig widerlegen. Kommen wir nun zum Urteil: Franz Woyzeck wird aufgrund seines verwirrten Zustands, eine vom Doktor bestätigte Bewusstseinsstörung attestiert, die den Mord erheblich beeinflusst hat. Trotzdem war ihm das Unerlaubte der Tat bewusst. Außerdem war er aufgrund seines Zustands, laut Paragraph 21, nur halb zurechnungsfähig, weshalb ihm die verminderte Schuldfähigkeit zusteht.“
(Nachbarin springt, mit Christian im Arm, wutentbrannt auf.) 
NACHBARIN: „EINSPRUCH, EUER EHREN! Ihr Urteil ist nicht gerechtfertigt, dieser Mann (zeigt auf Woyzeck), hat einen Femizid begangen! Seine Strafe ist viel zu milde! Er hat die Mutter seines Kindes umgebracht und konnte die Folgen seiner Tat sicherlich einschätzen.“
RICHTER: „Abgelehnt! Die Diagnose und Zeugenaussagen sind eindeutig und ausschlaggebend. Somit ist das Urteil gefällt! Franz Woyzeck bekommt aufgrund seiner halben Zurechnungsfähigkeit die verminderte Schuldfähigkeit zugesprochen und kommt somit für fünf Jahre ins Gefängnis. (klopft mit dem Hammer) Die Gerichtsverhandlung ist abgeschlossen!“

Eine moderne Weiterführung

Woyzeck
Ergänzende Szene

(Woyzeck, Marie, Tambourmajor und der Doktor)

DOKTOR: „Hallo Woyzeck, wie geht es dir heute?“
WOYZECK: „Hallo Herr Doktor. Ja, an sich geht es mir gut.“
DOKTOR: „Verspürst du noch dieses Jucken?“
WOYZECK: „Ja Herr Doktor, Es juckt mich am ganzen Leib. Außerdem die Erd´ ist höllenheiß und mir eiskalt, so kalt.“
DOKTOR: „Ja Woyzeck, das ist normal bei einem kalten Entzug. Du bist doch noch auf Entzug oder?“
WOYZECK: „Jawohl Herr Doktor. Eiskalt. Ich bin stets bemüht.“
DOKTOR: „Sehr gut Woyzeck. Mach´ genau so weiter und dann sehen wir uns nächste Woche wieder.“
WOYZECK: „Jawohl Herr Doktor.“
(Währenddessen im Auto des Tambourmajors.)
TAMBOURMAJOR: „Also Mademoiselle, ich habe dich in meinem noblen Vehikel ausgeführt. Jetzt musst du auch auf der Rückbank gönnen.“
MARIE: „Langsam, langsam mein guter Hengst. Ich bin nicht dein! Welch´ Andenken bekomme ich für diesen schönen Abend?“
TAMBOURMAJOR: „Mädel, du bist voll der Gold-Digger, aber na schön. Dafür besitzt du einen genialen Körper, an dem ich mich bereichern möchte. Du bekommst auch ein neues iPhone von mir.“
MARIE: „Einverstanden, dann lass uns aber zu dir fahren, bevor Woyzeck nach Hause kommt und uns sieht.“
(Das Geschehen nimmt seinen Lauf.)
(Woyzeck kommt nach Hause.)
WOYZECK: „Hallo Marie, wo warst du so lange? Ich wusste nicht, dass du etwas vorhattest.“
MARIE: „Ich habe mich mit der Nachbarin getroffen.“
WOYZECK: „Verstehe.“
MARIE: „Was machst du jetzt gerade?“
WOYZECK: „Wonach sieht es denn aus? Ich lege eine Line.“
MARIE: „Nicht schon wieder. Ich dachte, das neulich wäre eine Ausnahme, als du trotz deiner Therapie Drogen genommen hast?“
WOYZECK: „Ich brauche das Zeug aber. Außerdem habe ich mir Sorgen gemacht und du gehst nicht an dein Telefon. Jetzt lass mich in Ruhe.“
(Marie geht enttäuscht ins Bett. Woyzeck entdeckt ihr neues iPhone auf dem Tisch und sieht eine neue Nachricht vom Tambourmajor und ein Bild von den beiden.)
WOYZECK: „Dieses verdammte Miststück. Ich bringe sie um.“
(Er macht sich erst einmal eine neue Line und schreibt dem Tambourmajor, dass er sich eine andere Dame suchen soll. Dann schnappt er sich ein Messer und tötet die schlafende Marie. Der Tambourmajor liest die Nachricht und alarmiert die Polizei. Woyzeck hört Sirenen und nimmt noch mehr Drogen. Als die Polizei am Tatort ankommt, finden sie einen toten Woyzeck. Sie finden heraus, dass er an einer Überdosis gestorben ist.)